Wie weit bin ich weg, wenn ich tot bin?

Wie weit bin ich weg, wenn ich tot bin?

Oder bin ich noch in der Nähe meiner Familie?

Kann ich noch Dinge klären, die bisher ungeklärt blieben?

Wie kann ich meine Hinterbliebenen (puh – was für ein Wort) trösten, begleiten?

Kann ich überhaupt noch etwas tun, wenn ich tot bin?

Vielleicht bin ich ja dann einfach weg und kein Hahn kräht mehr nach mir?

Diese und noch viel mehr Fragen schwirren in meinem Kopf, heute, da es vier Wochen her ist, wo mein Papa dieses Leben verlassen hat.

Der Artikel ist SEHR persönlich und der erste Teil meiner Erfahrung mit Tod, Sterben und Trauer. Ich lade dich hier ein, die Würde des Sterbens ohne Dogma zu erleben, ohne Bewertung, ohne Erwartung. Dies ist mein persönlicher Weg und Erfahrungsprozess in den letzten Tagen und im Sterben meines Papas.

Du kannst dein Leben nur vorwärts leben, jedoch verstehen kannst du es erst im Rückblick“ – so oder ähnlich hörte ich vor kurzem einen Satz, der mich erkennen lies, wie viel ich im Sterben meines Papa nicht voraussehen konnte. Vielleicht ist es ja ein Schutzmechanismus im Körpersystem, der mich nicht erkennen lassen wollte, was mir und meinem Papa da bevorstand.

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Sterben kommt zwar manchmal von jetzt auf gleich – bei einem Unfall – und dennoch ist es in vielen Fällen so, dass wie bei einer Geburt, das Sterben in aufeinanderfolgenden Phasen geschieht.

Ich möchte mit dir hier gerne meine Gedanken und Gefühle dazu teilen.

So wie ich das Sterben meines Papas miterlebt habe, meine Gedanken und Gefühle, die Worte und Erlebnisse, die sich jetzt im Rückblick als unverkennbar zeigen, und die ich im Moment des Geschehens nicht sehen konnte, oder eben auch nicht erkennen wollte.

Sterben ist ja auch etwas, was in unserer Kultur eher verschwiegen wird, als dass offen die Gefühle der Angst dabei angesprochen werden. Sterben ist wahrlich etwas privates, und dennoch betrifft es uns alle. Irgendwann kommen wir an den Punkt, wo wir entweder selbst sterben, oder dem Tod eines geliebten Menschen bewohnen dürfen.

So viel Angst ich auch vor diesem Moment hatte, so sehr bin ich heute noch erfüllt von der tiefen Liebe, die durch diese Stunden in mir geöffnet wurde. Und wenn ich so zurückdenke, begann dieser Prozess in mir schon einige Tage zuvor. Wie lange oder intensiv mein Papa spürte, dass es dem Ende zuging, vermag ich nicht zu sagen, doch ein Gefühl in mir sagt, dass er gewusst hat, dass es zu ende geht.

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Mein System hat viele Bilder von ihm abgespeichert. Bilder, die mein Leben bestimmten. Bilder in denen Freude, Leichtigkeit und Lebendigkeit eine große Rolle spielen. So viele Erlebnisse die uns verbinden, so viele Geschichten und vor allem auch die Liebe zum Holz. Wie sollte es sein, so habe ich als Schreinertochter sehr viel von ihm gelernt, und alles was ich hier in meinem Haus betrachte, trägt seine Handschrift, seine Signatur.

Es sind diese Erinnerungen, diese Bilder, die mir heute Kraft schenken und mich ihn in jedem Moment um mich herum spüren lassen.

Ein Bild jedoch, was womöglich auch das Sterben eingeläutet hat, war dieser eine Freitag Vormittag, an dem er gefallen ist. Außer einer kleinen Platzwunde an der Wange ist zum Glück nichts weiter geschehen, doch ihn so hilflos da am Boden liegen zu sehen brach mir das Herz. Es brauchte noch weitere Hilfe von Außen, um ihm wieder auf die Beine zu helfen, da ihm dafür schon so lange die Kraft fehlte. Wenn ich daran denke, wie viel körperlich schwere Arbeit er in seinem Leben bewältigt hatte und nun die Kraft Stück für Stück aus ihm herausfloss, dass er nicht einmal in der Lage war sich selbst wieder aufzurichten.

Es war ein schwerer Tag, auch für ihn. Ich denke in allen von uns stieg schon hier die erste Angst auf. Ein leises ahnen von dem was in den nächsten Tagen geschehen würde. Doch niemand wollte es sehen. Oder konnte es niemand sehen? Oder war die Angst so groß, dass es einfach ausgeblendet wurde?

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Wenn ich Menschen im Coaching begleite kann ich sehr wohl sehen, was die nächsten Schritte sein werden. Dort kann ich helfen und unterstützen, liebevolle Worte finden, Begleitung sein. Doch hier so allein in meiner Geschichte, in diesem Geschehen sah ich nichts. Das einzige was mir im Kopf hämmerte, waren die harschen Worte, die ich noch vor wenigen Tagen an ihn gerichtet hatte. Worte, die ihn aufrütteln sollten. Worte die aus tiefer Liebe und auch Angst aus mir kamen, und die von Außen betrachtet doch so hart klangen.

Ich wusste tief in mir, wie groß meine Liebe zu ihm ist, doch wusste er es auch? So oft habe ich mir diese Frage gestellt, denn über Gefühle zu sprechen, das war nicht unbedingt das, was mein Papa oft getan hat. Jedoch waren ihm seine Gefühle anzusehen, und jeder, der auch nur ein bisschen feinfühlig war, konnte sie erkennen.

An manchen Tagen hatte ich das Gefühl in leere Augen zu blicken. An anderen war da so viel Freude über den anstehenden Frühling. So vieles hatte er vor, auch wenn es ihm schwerfiel. Wie sehr hat er sich nach der Sonne des Frühlings gesehnt.

Als er nach diesem Sturz und der Dialyse wieder Zuhause war schien etwas verändert. Jeder in der Familie war innerlich in Alarmbereitschaft. Und selbst der Arzt wollte ihn zum Check ins Krankenhaus schicken, doch er wollte Nachhause.

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Am folgenden Tag (Samstag) war er sehr still. Sehr in sich gekehrt. Und in dieser Nacht entschied er sich dann dafür, ins Krankenhaus zu gehen. Noch heute werde ich manchmal genau um die Zeit wach, zu der mich meine Mutter damals rief.

Für einen Menschen, der Zeit seines Lebens kaum krank war, war es für meinen Papa sicherlich schwer, nun so viel Hilfe und Unterstützung zu brauchen. Ich kann mich nicht erinnern, dass er früher über Beschwerden geklagt hatte, und auch in diesen letzten Jahren, wo er oft und zu unterschiedlichen Themen ins Krankenhaus musste, war er nicht mürrisch. Sicher haben ihn die drei Dialyse-Termine pro Woche angestrengt, und auch der Tagesablauf wurde dadurch eingeschränkt und verändert, doch es sah so aus, als würde es ihm guttun und die Verbesserung war auch deutlich sichtbar.

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Wieder im Nachhinein betrachtet, war schon vor etwa einem halben Jahr, der Tag an dem der Arzt ihn ins Krankenhaus schickte, ein kritischer Tag, denn dort stellte sich eben heraus, dass nur noch die Dialyse die Gifte aus dem Körper spülen konnte. Damals sah es zum ersten Mal so schlecht aus, dass ich wirklich einen Schreck bekam, und dennoch als von Natur aus positiver Mensch konnte ich auch dort die Zeichen nicht erkennen.

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Am Sonntag Vormittag fuhren meine Mutter und mein Bruder zu ihm ins Krankenhaus. Einem inneren und äußeren Impuls folgend blieb ich zuhause. Für mich stand ein wichtiger Schritt an. Als das Haus still und leer war, nahm ich Stift und Papier und begann zu schreiben. Einen Brief an meinen Papa. Zu beginn wusste ich nicht, wie ich anfangen sollte und ich atmete mehrfach tief ein und aus. Dann waren nur noch wenige Gedanken da und eben der eine „Fang einfach an, alles andere wird sich fügen“. Und so begann ich einen langen Brief an meinen Papa zu schreiben. Nicht um ihn abzuschicken, nicht weil ich Angst hatte, ihn nie wieder zu sehen, einfach in dem Gefühl, dass ich energetisch tief mit ihm verbunden war, und so viel unausgesprochenes nun Worte finden durfte.

Mit Tränen erfüllten Augen schrieb ich Wort um Wort. Eine nach der anderen Erinnerung tauchte auf, und ich schrieb ihm, wie sehr ich ihn liebte, und dass ich den Ausgang „dieser Geschichte“ in Gottes Hände legte.

Spät am Nachmittag fuhr auch ich mit meiner Mutter noch einmal ins Krankenhaus und irgendwie sahen wir allem zuversichtlich entgegen. War er doch nun in guten Händen. Als ich am Abend dann im Garten den Brief verbrannte, schlugen die Flammen hoch. Ich blickte zum Himmel. Ich sah den großen Wagen und den Orion. „Dein Wille geschehe“ flüsterte ich Gott zu.

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Der Montag begann wie ein ganz normaler Tag. Die Routine machte nicht spürbar, was sich hinter den Kulissen abspielte, und das war auch gut so. Mit dem Gedanken auch an der Arbeit „abrufbereit“ zu sein, verabschiedete ich mich um an die Arbeit zu fahren. Ich wusste, dass Mutti an diesem Nachmittag mit meiner Tochter ins Krankenhaus fahren wollte, um weitere Klarheit zu bekommen, und mit den Ärzten zu sprechen. Und als gegen 17 Uhr mein Handy klingelte und ich sah, dass meine Tochter am anderen Ende war, hatte ich schon eine Vorahnung von dem was hierauf folgen würde. Und so war es dann auch. Ich gab meinem Bruder Bescheid und gemeinsam fuhren wir auf dem Weg ins Krankenhaus dem Sonnenuntergang entgegen.

Tief in mir wusste ich, wie der Abend verlaufen würde. Ich spürte, dass wir genug Zeit geschenkt bekommen, und erzählte auch meinem Bruder von meinen Wahrnehmungen. Vollkommen still in mir ruhend betrachtete ich die Sonne, die den Himmel mehr und mehr einfärbte. Im Herzen war ich schon auf der Fahrt tief mit meinem Papa verbunden.

Ein Schreck durchfuhr mich, als ich das Zimmer auf der Intensivstation betrat und ich sah, an wie vielen Monitoren und Maschinen mein Papa angeschlossen war. Und ich konnte erkennen und spüren, wie groß seine Erleichterung war, dass wir nun alle bei ihm waren.

Abwechselnd saßen wir an seinem Bett, hielten seine Hand und sprachen mit ihm.

Fast die ganze Zeit wo ich dort saß, lag meine Hand auf seinem Herzchakra. Zu Beginn griff er nach meiner Hand, hielt sie und ich spürte erneut, wie viel Furcht in ihm war und auch in mir. Die Tränen liefen einfach und doch war eine tiefere Vertrautheit zu spüren als je zuvor. Während der gesamten Zeit hielt ich mit ihm Augenkontakt. Innerlich und auch leise aussprechend sagte ich ihm immer wieder, dass alles gut sei. Das Gefühl der Liebe verstärkte sich von Atemzug zu Atemzug. Wir waren da, das war das wichtigste. Ich hatte kein Zeitgefühl mehr und weiß auch heute nur schemenhaft im Rückblick wie lange die Zeit war. Momente, die sich wie Stunden anfühlten waren nur einen Augenaufschlag lang, und andererseits schien die Zeit endlos.

Es war sehr deutlich wahrnehmbar wie der gesamte Raum tiefer und kraftvoller mit Liebe erfüllt wurde. Nach und nach ließen die Körperfunktionen nach, bis sich die letzten Atemzüge zeigten. Es war als bliebe die Zeit stehen. Ich küsste ihn noch einmal auf die Stirn und wusste, ich würde nie wieder sein Lachen sehen, seine Stimme hören oder eine Umarmung spüren.

Om Namah Shivaya

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In meinem Artikel time to say goodbye habe ich versucht, die menschliche und energetische Sicht auf Sterben und Geburt nachzuempfinden. Und in Ende und Anfang gehen Hand in Hand sind meine ersten Gedanken zu den unterschiedlichen Phasen der Trauer in Worte gefasst.

Und auch der heutige Artikel wird eine Fortsetzung bekommen, die sich dann mit dem Schmerz der Hinterblieben befasst, und wie du in solch einer schweren Situation wieder Mut findest, dem Leben neu zu begegnen. Die zu Beginn des Artikels gestellten Fragen werden sich hier nach und nach beantworten und dir die Tür in ein neues Verstehen von Tod, Trauer, Abschied und Neubeginn schenken.

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Mein tief empfundener Dank für die Hilfe und Unterstützung geht an die Ärzte im Klinikum Bad Hersfeld, die Ärzte der Notaufnahme dort, voran auch an Frau Dr. Kölsch, die uns in den letzten Stunden zur Seite stand. Dann an Dr. Wilbrandt vom KfH-Nierenzentrum Heringen und das ganz Team, was meinen Papa während der Zeit begleitet und betreut hat, und an seinen Hausarzt Dr. Lepper.

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„BE YOURSELF – denn nur so kannst du dein Leben leben.“

Alles liebe zu dir

Sirut Sabine

Ich möchte dich mit meinen Beiträgen berühren und an deine Wahrheit erinnern, die in dir liegt. Wenn du Fragen und Anregungen für mich hast, schreibe sie doch einfach in den Kommentar, denn nur so kann ich erkennen was dir wichtig ist und ob der Beitrag wirklich unterstützend für dich ist.

Für deine persönliche Begleitung findest du hier alle weiteren Informationen.

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ALLES ist mit allem verbunden, eingebunden in das Große Muster der Welt. Nur du selbst kannst herausfinden, wo dein Platz ist und wie du ihn voller Freude ausfüllen kannst.

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